LICHT UND LUFT FÜR DEN RAUM: DAS FENSTER
Veröffentlicht: 03. Juni 2014
Fenster sind Mauerlöcher zum Durchschauen. Es stellt vor allem eine emotionale Beziehung zwischen innen und außen her, dient aber auch – ganz pragmatisch – der Belichtung und Belüftung des Raums. Und doch erfährt das Fenster als metaphysischer Begriff immer wieder eine Veränderung. Ein Wandel, der bis heute andauert.
Fenster sind Mauerlöcher zum Durchschauen. Kulturgeschichtlich tritt das Fenster erst nach der Tür auf. Sein ursprünglicher Nutzen galt ausschließlich dem Blick nach draußen: Das Fenster als Guckloch sollte ein weitestgehend gefahrloses Erkennen des Umfeldes ermöglichen. Beobachten ohne beobachtet zu werden. Das Fenster ist hier eine Art Auge des Hauses. Ein Überbleibsel dieser ursprünglichen Form des Gucklochs ist heute etwa das Türauge in Mehrfamilienhäusern. Auch der Fernseh-Apparat könnte als Weiterentwicklung des Gucklochs gesehen werden, denn auch in ihm manifestiert sich die ursprüngliche Form der Mauerlöcher zum Hinausschauen. Und – nicht zuletzt – das Smart-Phone, als Weiterentwicklung des Fernsehers die interaktive Verbindung zur Welt.
Diese eigentliche Funktion des Fensters erfährt jedoch einen Wandel in der Geschichte. Bereits zur Zeit des Opernhauses in Dresden von Gottfried Semper (1878) hatte das Durchblicken durch die Mauer zwar noch die Aufgabe, das Geschehen draußen beobachten zu können. Aber auch die Vorgänge im Inneren sollten wahrnehmbar werden. Sehen und gesehen werden eben. Diese Entwicklung setzte sich dann Mitte des 19. Jahrhunderts fort und manifestiert sich schließlich in der Erfindung des Schaufensters, das dann ganz und gar nicht mehr die Funktion des Hinausschauens wie beim Guckloch hat, sondern durch das man ausschließlich hinein schauen soll. Die Umkehrung der ursprünglichen Funktion war somit erreicht.
Auch in der Wohnungsarchitektur bekommt das Hinausschauen eine ganz andere Qualität. Was das Beobachten ursprünglich noch aus der Furcht heraus geboren, entwickelt es sich geradezu zu einer Freude am Beobachten. Der Mensch möchte das Äußere hinein holen durch große Fensterflächen, die gerne über die gesamte Geschosshöhe einen möglichst nahtlosen Übergang bilden.
Ein umgekehrter Effekt entsteht jedoch bei Dunkelheit: Durch das fehlende Licht kann man die Außenwelt von innen nicht mehr erkennen, das Innere aber wird nun für den außen Stehenden beleuchtet, der dann das Innere sehen und beobachten kann. Das Verhältnis von Beobachten und Beobachtetwerden dreht sich fatalerweise um.
Das Vorhandensein eines Fensters ist rein theoretisch manchmal sogar nicht immer nötig, beispielsweise bei Vortragssälen. Dennoch ist die pure Möglichkeit, immer einen Blickkontakt nach draußen herstellen zu können, für den Menschen wichtig. Das Fenster stillt das Verlangen, aus dem Raum der Zurückgezogenheit heraus gleichzeitig die Außenwelt im Auge behalten zu können. Diese Wichtigkeit wird anhand eines Gegenbeispiels klar: In einem Verlies, einem Raum also mit nur einer, nicht erreichbaren Öffnung nach oben, fühlt man sich eingeschlossen und weggesperrt. Man kann hier zwar nach draußen schauen, sieht aber nur einen Ausschnitt des Himmels, kann als keinen handfesten Bezugspunkt ausmachen. Einsamkeit und Orientierungslosigkeit sind die Folge.
Eine besondere Art des Fensters findet sich übrigens direkt in der Fensterzone in der Maueröffnung, also zwischen den Leibungen des Fensterausschnitts, wie man es häuft nur noch bei alten Gebäuden mit entsprechend dicken Mauern findet. Hier begibt man sich in eine Zwischenzone, denn der Körper hält sich noch im Inneren auf und genießt so den Schutz des Raumes und des Gebäudes, denn das eigentliche Fenster ist ja erst dahinter. Der Bezug zum Außenraum ist hier aber so stark, dass man sich wie im Außenraum fühlt. Diese zwei Bezugsrichtungen überlappen also in dieser Zone. Es entsteht ein mehrdeutiges Raumgefüge.
Einige Fensterbeispiele:
Zum Thema: Blogparade #Raumgefühl: Architektur denken von Stadtsatz.
24. Februar 2015 17:30
Das sind total schöne Fotos und die Zusammenstellung gefällt mir sehr gut! Danke auch für den Text, ich habe mir ehrlicherweise noch nie Gedanken über das Thema Fenster gemacht…
13. März 2015 21:29
Sehr gerne! 🙂